Jürgen Raap

(Text aus dem Katalog:
DIE PULHEIMER ROCHADE UND ANDERE INTERVENTIONEN
Hrsg.: Kulturamt der Stadt Pulheim, 1999)




CHRISTIAN HASUCHA

Die Pulheimer Rochade


I.

Eine Rochade beim Schachspiel ist eine taktische Finesse. Sofern König und Turm im bisherigen Spielverlauf noch nicht bewegt wurden, können sie die Plätze tauschen, und zwar dergestalt, dass die Figuren dann auf der Position jeweils neben dem Ausgangsfeld der anderen Figur platziert werden: der König nimmt also das Feld neben jenem ein, auf dem der Turm stand, und der Turm rückt dito auf das Feld neben jenem, das der König bislang innehatte. Eine solche Rochade empfiehlt sich in einer Situation, wo man den Turm zur Mitte des Feldes hin besser ins Spiel bringen und zugleich den König aus einer unmittelbar drohenden Gefahr seitens des Gegners herausnehmen will. Sie stört den Spielablauf des Gegners, zwingt ihn zu anderen Zügen als solchen, die er vielleicht vorgehabt hafte.

Wenn Christian Hasucha seine jüngste künstlerische Intervention im öffentlichen Stadtraum ³Pulheimer Rochade" nennt, so ist das zunächst einmal ein poetisch anmutender Titel. Er suggeriert einen spezifischen Schachzug, der in der Geschichte dieses Spiels als Standard-Taktik eingegangen ist wie der legendäre ³Schäferzug". Standardsituationen stellen die Plätze in den Ortsteilen von Pulheim dar. Ihr Erscheinungsbild ist den Passanten vertraut, die sie täglich frequentieren; denn wenn eine städtebauliche (Neu)-Gestaltung einmal abgeschlossen ist, ändert sich so bald nichts oder nicht mehr sehr viel an ihrem prinzipiellen Erscheinungsbild. Gerade in ihrer ³Möblierung" manifestiert sich eine ziemlich umfassende Standardisierung, denn eine Pflasterung, Begrünung, Sitzbänke und Pollerreihen, die die Autofahrer am unerwünschten Parken hindern sollen, findet man in vorherrschender Zeitgeist-Ästhetik genau so woanders an vielen ähnlichen Plätzen. Die Stadt Pulheim besteht aus mehreren Ortsteilen, die teilweise recht weit voneinander entfernt liegen; von Pulheim nach Stommeln sind es z.B. 4 km. Brauweiler mit seiner Abtei ist auch solch ein Ortsteil. Auf den Plätzen von Pulheim und Brauweiler hat Christian Hasucha ein jeweils 25 qm Stück Fläche ausgewählt, das mitsamt seiner Pflasterung und deren weißer Parkstreifenmarkierung, ebenso mit seiner ³Möblierung" wie Abfallkörbe und Anlehnrohre komplett ausgetauscht wird. Ein Ausschnitt aus der Pollerreihe von Brauweiler wird somit nach Pulheim verpflanzt, umgekehrt kommt ein Stück Jägerzaun aus Pulheim in die dann entstandene PoIIer-Lücke von Brauweiler. Die implantierten Ausschnitte aus dem Zaun und aus dem Markierungsraster wirken am neuen Ort dis-funktional, die Rochade erweist sich als Störmanöver und die neue Situation hat etwas Absurdes.

In das Funktionssystem Platz wurden also jeweils Fremdkörper im wahrsten Sinne des Wortes eingefügt; sie sind hier fremd, eben weil sie ganz offensichtlich nicht hierhin gehören und weil es keinen rational einsichtigen Grund geben könnte, wieso sie auf einmal hier auftauchen. Sie stören und verfremden also ein gewohntes Bild. Damit machen sie als künstlerisches Konstrukt das gesamte Platzsystem ästhetisch instabil. Am deutlichsten zeigt sich diese ästhetische Instabilität an der Pflasterung, die in Brauweiler aus Basalt in Form traditioneller ³Katzenköpfe" besteht, auf dem Pulheimer Platz indessen aus einem modernen Beton-Verbundmaterial mit völlig anderem Grundriss der einzelnen Steine. Allein der Unterschied zwischen Naturstein und Industriebaustein markiert schon einen Kontrast. Wesentlich für den Charakter dieser Intervention ist aber das künstlerische Beharren auf Exaktheit und Authentizität: Der gewählte Ausschnitt wurde mit einer Methode vermessen, wie man sie in der Archäologie bzw. Bodendenkmalpflege anwendet. Jeder einzelne Stein ist vor dem Austausch markiert worden, um das Pflaster dann am anderen Ort ³genau so wie vorher", d.h. authentisch, anzulegen. Somit ergeben sich parallele ldentitäten, die nur im Grundriss deckungsgleich sind. Die Rochade erfolgt mithin als eine Parallelverschiebung, bei der jedes Teil genau auf seine Himmelrichtung ausgelotet bleibt. Freilich relativiert sich diese Authentizität, wenn die Platz-Ausschnitte wie 1:1-Modelle am jeweils anderen Ort implantiert werden. Obwohl nämlich die ausgewählten Stellen selbst und ihre Möblierung relativ anonym sind (es sind bestimmt keine ³Lieblingsplätze" einzelner, individueller oder gemeinschaftlicher Nutzer), ³sperren" sie sich durch die spezifische Art der künstlerischen Intervention ästhetisch gegen die ursprüngliche Struktur dieser Plätze und gegen die weiterhin unverändert existierende unmittelbare Umgebung. Die Metapher der Rochade greift hier insofern, als eben nicht alle Figuren vertauscht werden, gleichwohl ist die Schach-Rochade ein massiver Eingriff in die ursprüngliche Reihung der Figuren.

Die Pulheimer Rochade nivelliert die Bedeutungszusammenhänge von Jägerzäunen als Moment der Garten- bzw. Grünflächengestaltung und der Poller als Angelegenheit der Straßenverkehrstechnik: Beide haben prinzipiell eine Sperrfunktion, aber in jeweils anderen Lebensbereichen, wo ³normalerweise" niemand auf die Idee käme, an der Grenze seines Gartens Poller anstatt eines Zauns aufzustellen. Rein ³technisch" gesehen funktioniert die Sperrung für Autofahrer auf dem Platz von Brauweiler auch durch das 5 m lange Stück Jägerzaun, aber mit der Intervention Hasuchas findet an dieser Stelle ein gewollter Verstoss gegen die gängigen platzgestalterischen Konventionen statt. Der Jägerzaun suggeriert etwas Ländlich-Idyllisches, der Poller hingegen ist ein Moment der Lenkung innerhalb urbaner Mobilität. Am Rande des Pulheimer Platzes hat der Zaun seine Berechtigung zum Schutz einer Grünfläche, nicht jedoch in Brauweiler als Abgrenzung des Platzes zur Fahrbahn. Der Zaun schottet ab, die Pollerreihe ist hingegen durchlässig. Die Poller sollen mit ihrer Sperrfunktion zugleich einen freien Bewegungsraum für andere bereit halten, für Fußgänger und Radfahrer. Der unverrückbare Zaun indessen fordert von jedem die Respektierung einer symbolischen Unüberwindlichkeit der Grenze ein, die er darstellt. Somit ist das 5 m lange Stück Jägerzaun an dieser Stelle in höchstem Maße anachronistisch. Es bietet den Passanten nicht jene begehbaren Zwischenräume wie die vorher hier vorhandenen Poller, aber es leistet auch nicht jene komplette Einzäunung, wie sie sonst üblich ist, weil man ja um dieses kurze Stück herum gehen kann.


II.

In den alten Stadtkernen haben die Plätze auch heute eine immer noch mehr oder weniger deutlich spürbare historische Aura. Diese ergibt sich aus ihrer ursprünglichen, in vielen Fällen allerdings jüngst neu entdeckten Funktion (z.B. als Marktplatz), aus ihren Ausmaßen und oftmals auch noch aus der Erscheinungsform der Bausubstanz, welche diese Plätze einrahmt. Das gesamte Ensemble bildet damit eine urban-ästhetische Einheit. Der Künstler Stefan Wewerka unterschied einmal - die Land Art- und lnstallations-Konzepte der sechziger und siebziger Jahre betreffend - theoretisch zwischen ³Environment" als gestalteten Umgebungsraum und ³Open Space" als Ort aktionistisch-prozesshaften Geschehens. In dieser Hinsicht hatten vor allem die Plätze der barocken Städte und Schlossanlagen eine prinzipielle Offenheit, sie verlängerten den Blick perspektivisch in Alleen und panoramahaft in angrenzende Parklandschaften. Gewissermaßen waren sie Sinnbild für ein Ordnungsgefüge, in dem sich ein göttliches wie ein weltliches Prinzip der Herrschaft visualisierte, und in dem sich ebenso eine Auffassung von Universalität widerspiegelte. In den Bürgerstädten des 19. Jh. kopierte man dies unter anderen ideologischen Vorzeichen; innerhalb der rapiden ökonomischen, demografischen und damit auch urbanen Wachtumsprozesse bekam die Überschaubarkeit des öffentlichen Raumes ein anderes psychologisches Gewicht.

Die Pariser Boulevards (von boule = die Kanonenkugel) waren im 19. Jh. ursprünglich Aufmarschbahnen für das Militär; und die Plätze, von denen sie abgingen waren zentrale Sammelpunkte für das Heer, das von hier aus in alle Himmelsrichtungen zur Verteidigung der Stadtgrenzen hin ausschwärmte. Doch dann wurden diese Plätze und Boulevards von den Flaneuren erobert, wurden wieder zu Bühnenräumen von Selbstdarstellern und Voyeuren, wie schon einmal in der Barock-Zeit. Emile Zola beschrieb, wie diese Ritualität des Flanierens, des Sich-Zeigens und Schauens, um die Wende zum 2o. Jh. auch in südfranzösischen Kleinstädten an Sonntagen gepflegt wurde. Dort war bei geringem oder noch niedrigem Baumbestand den Honoratioren das Privileg vorbehalten, die Schattenseite der Straßen und Plätze zu frequentieren, während das gemeine Volk auf die Sonnenseite verwiesen wurde.

In der jüngeren Geschichte der Stadtplanung zeigt sich eine Parallel-Entwicklung zwischen der baulichen Zerschneidung der Plätze für Autoschneisen gemäß den heute allerdings obsoleten Ideen einer ³autogerechten" Stadt einerseits und den Fußgängerzonen andererseits, die man seit den späten fünfziger Jahren anzulegen begann. Sie wurden in den Städten der achtziger und neunziger Jahre ergänzt durch überdachte Einkaufspassagen. In gewisser Weise stellen heute diese Zonen und Passagen eher jene Freiräume dar, die früher Plätze als kommunikatives Forum boten; als ein Treffpunkt, an dem nicht nur Marktwaren ausgetauscht, sondern auch politische Dinge verhandelt wurden (auch Recht wurde einst auf zentralen Plätzen gesprochen). Aber eigentlich sind diese postmodernen Zonen und Passagen künstlich inszenierte Welten, welche zwar in zeitgemäßer Design-Kostümierung die Authentizität der alten Flanierstraßen und Basare vermitteln sollen, dies jedoch nicht können. Ebenso hat die heutige ³event-kulturelle" Belebung von Plätzen häufig nur folkloristischen Charakter. Eine wirkliche Urbanisierung solcher Orte gelingt deshalb nicht, weil man staddtplanerisch an eine urbane ldealität anknüpft, in der solche Plätze tatsächlich noch Kulminationspunkte einer Inszenierung und Demonstration von gesellschaftlichen Status-Bedeutungen waren. Dessen Variante waren in Zeiten des Totalitarismus martialische Inbesitznahmen durch Massenaufzüge. Das Vorbild der mediterranen Piazza beflügelt die heutigen Stadtarchitekten, wobei allerdings urbane Mobilität gemeinhin in jene Verstopfung und Besetzung öffentlicher Räume mündet, die bloß vom Willen diktiert ist, möglichst schnell und effektiv, d.h. auf dem kürzesten Wege, notwendige Besorgungen zu erledigen oder Orte wie Kinos zu erreichen. Fast immer schließt sich ein Parkhaus oder eine Tiefgarage an solche Plätze und Zonen an. Diese Abstellmöglichkeiten werden jedoch als zu umständlich empfunden; Autofahrer bevorzugen lieber das oberirdische Parken, von dem man sie dann mit jenen Pollern abhalten muß, die - in ³Reih und Glied" platziert - der Ordnung (bzw. dem behördlich definierten Ordnungswillen) Geltung zu verschaffen hoben, in ihrer Uniformität einer Bauernreihe beim Schachspiel nicht unähnlich oder einer Garde von Soldaten.

Hasuchas Intervention thematisiert eine Verfügungsgewalt über Plätze in mehrschichtiger Weise. Eine symbolische wie reale Eroberung, ein Fernhalten (³Platzverbot" für unerwünschte Personen als ordnungspolizeiliche Maßnahmen), die soziale Konzentration des kommunikativen und ökonomischen Geschehens, das vorgegebene und einzuhaltende Maß, die Merkmalhaftigkeit lokaler Identität und Bewußtseinsmuster, und die verkehrslogistische Lenkung der Passantenströme etc. sind als politische, kulturelle, psychologische und soziologische Phänomene eng miteinander verwoben. Was aus dieser Komplexität künstlerisch herausgefiltert werden kann, ist immer nur facettenhaft und beispielhaft; die Beschränkung der Pulheimer Rochode auf ein Areal von zweimal 5 x 5 Metern hat nicht nur praktische Gründe, sondern sie bedeutet auch eine bewußte Absage an das Prinzip der Totalität.


III.

Bei Christian Hasucha geschieht eine Intervention in alltägliche öffentliche Räume häufig nach der Methode der Collage. Versatzstücke werden gegeneinander gestellt; ihre Heterogenität arbeitet gegen jene oben beschriebene ästhetisch-urbane Einheit. Diese Versatzsfücke sind begehbar und benutzbar, doch als Kunstprinzip stellen sie die Zweckökonomie in Frage, die üblicherweise die Alltagspraxis dominiert. In ihrer Absicht der Irritation bieten sie ganz bewußt keine permanente Vergewisserung über die Richtigkeit von Erkenntnis und über den rational fassbaren Lauf der Dinge und über die Welt. Eine Veränderung von Wahrnehmung erreichte Hasucha mit seinen bisherigen Interventionen z.B. durch erhöhte Plattformen als Standebene eines Betrachters (als Änderung von Standpunkten in doppeltem Wortsinn), oder mittels ³Blickschleusen", durch welche die Wahrnehmung auf bestimmte Ausschnitte gelenkt wurde. Hierbei wurde mehrfach die Stereoskopie als wahrnehmungsphysiologisches Phänomen eingesetzt. Der parallele Blick beider Augen stellt eine andere Art von paralleler Identität dar, die sich erst durch die Leistung des Gehirns ergibt. Die Qualität einer Wahrnehmung definiert sich in der Einordnung in das bereits vorhandene Wissen. Dieses wird bei der Pulheimer Rochade erschüttert.

Auch wenn Künstler ihre Konzepte von ³Kunst im öffentlichen Raum" in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden realisieren, so konterkarieren sie gemeinhin die vorgefundene Situation, brechen sie auf, öffnen sie. Alles andere wäre ja auch nur bloße Dekoration (wie es sie in Form von Brunnen etc. als kunsthandwerkliche Bestückung vielerorts freilich auch gibt). Bei Hasucha geschieht die Konstituierung einer veränderten Situation nicht nur rein materiell, sondern sie manifestiert sich auch als Behauptung. Die oft temporären Interventionen in die Lebenssphäre anderer Menschen sind Meinungsäusserungen, die sich noch einigen Wochen wieder verflüchtigen und damit nicht zu Okkupationen werden, welche auf dauerhafte Einverleibung zielen.

Ob Hasucha im Innenhof einer Siedlung in Köln-Weidenpesch eine Mauer mit Durchbrüchen in Form von Buchstaben, die das Wort ³JETZT" bilden, aufstellte (1995) oder einen Akteur dazu veranlasste, diesen Schriftzug auf dem Dach eines Hauses in frei gewählten Intervallen kurz aufleuchten zu lassen (1990), oder ob er bei der Pulheimer Rochade zwei kleine Welten des Tiefbauwesens miteinander vertauscht: Immer wird eine visuell rezipierbare Information zur Deklaration erhoben. Diese vermag Diskussionen auszulösen, und sie vermag eine Skulptur in den Köpfen der Betrachter zu bilden. Die künstlerische Strategie Hasuchas folgt freilich nicht jenen ganz anderen Strategien, die man in den siebziger Jahren unter die Schlagworte ³Kunst als sozialer Prozess" und ³Ideenkunst" subsummierte.

Städtische Strukturen sind semiotische Informationskanäle: Als Zeichen bieten sie eine räumliche Orientierung. Ihre jeweilige ³typische" Form informiert über ihre Zweckbestimmung als Abfallkorb oder Fahrradständer. An der baulichen Form und Erscheinung von Häusern läßt sich ablesen, wie alt oder wie luxuriös etwas ist, und oft auch ohne Ausschilderung, was dort stattfindet. Eine Kirche, ein Hotel, eine Lagerhalle und ein Bauernhaus stehen als deutlich voneinander unterscheidbare bauliche Zeichen für sich. Die Wiederherstellung von altem Katzenkopf-Pflaster ist ein Zeichen von Bemühungen, an das frühere Erscheinungsbild des Platzes anzuknüpfen, und ebenso ein Zeichen für eine ökologisch-bewusste Absage an die Versiegelung von Böden durch Asphaltierung - zwischen den Fugen der Pflastersteine kann das Regenwasser in den Boden eindringen und sich dort besser verteilen. Es ist einsichtig, dass bereits ein 25 qm großer Ausschnitt eines Platzes eine Fülle solcher Informationen enthält. Diese Zeichenhaftigkeit wird in Hasuchas Rochade nicht aufgehoben; vielmehr sind die Inhalte der Zeichen weiterhin erkennbar, nur machen sie vielleicht im Einzelfall am anderen Ort keinen logischen Sinn mehr~ wie die vier Poller an einer Stelle, an der ihre Aufstellung überflüssig wäre. Es ist, als ob man bei zwei verschiedenen Texten zwei Sätze miteinander vertauscht: Jeder Satz ist weiterhin grammatisch korrekt, der Satz bleibt mithin lesbar, und für sich genommen bietet er weiterhin eine sinnvolle Aussage, nur ³passt" diese Aussage nicht in einen anderen Zusammenhang. So sind auch Hasuchas skulptural-intervenierende Behauptungen mit einiger Paradoxie logisch ³richtig" und zugleich absurd; sie relativieren sich örtlich und zeitlich, wobei es aber völlig unerheblich ist, ob sie sofort und von jedem als Kunst erkannt werden oder nicht. An Orten wie den beiden Rochade-Plätzen verzichtet Hasucha konsequent auf erläuternde Ausschilderungen. Bei einigen seiner anderen Projekte sind für Mit-Akteure mitunter Informationen als Handlungsanleitung nötig, die dann ³automatisch" weitere Erklärungen liefern.

Wenn die Ausgangssituation nach dem Ende einer Intervention oder Aktion wieder hergestellt wird, mag man glauben, das Gefüge der Welt sei wieder zurecht gerückt worden. Zurückgewonnene Vertrautheit schafft Entlastung, anthropologisch ist das gut nachvollziehbar. Der Mensch ist zwar ein Neugierwesen, aber er wäre überfordert und sähe sich permanentem Stress ausgesetzt, müßte er in jedem Augenblick seines Lebens ausschließlich neue Reize verarbeiten, für die es noch keine Erfahrungs- und Erinnerungswerte gibt, in die sie sich einfügen lassen. Stattdessen fühlt er sich erleichtert, wenn er z.B. in einer völlig fremden Stadt nach einigen Tagen gelernt hat, sich ein wenig zurecht zu finden, wenn er die Struktur dieser Stadt zumindest ansatzweise erkannt hat (wobei ihm seine bisherigen Kenntnisse über das prinzipielle System einer Stadt helfen); und er fühlt sich sicherer, wenn er von einer völlig fremden Sprache zumindest schon so viele Vokabeln gelernt hat, um in dieser Stadt wenigstens eine Alltagskommunikation mit Kellnern und Taxifahrern zu bewältigen.

Bei der Pulheimer Rochade konzentriert sich dies auf ³nur" jeweils 25 qm, aber mit der Betrachtung der rochierten Teile bekommt auch das Verbliebene und Unveränderte eine Trennschärfe, bekommt mithin das Beiläufige eine Prägnanz.

Vgl. Projektdokumentation Nr. 34 Pulheimer Rochade