Declan Long: City Fabric in: Fire Stations’ International visual art event,
22. – 30. September 2001.

…In offensichtlicher Weise herausragend aus den ‘City Fabric’- Projekten war ‘Herr Individual geht’ von Christian Hasucha, eine Aufsehen erregende öffentliche Intervention, die bereits in mehreren europäischen Städten zu sehen war. Gezeigt wird ein Mann, der täglich mehrere Stunden auf einem 2,50 m hohen Laufband-Häuschen geht ( welches – was der Künstler abstreitet – einem Skulpturensockel ähnelt). Der Arbeit gelingt es, die gewohnte Praktik unseres alltäglichen Gehens und dessen Aktionsraum unvertraut wirken zu lassen. ‚Herr Individual’, in diesem Beispiel der in Berlin wohnende Kurator Marcel Hager, war auf eine Weise gekleidet, die eher gewöhnlicher Natur war und weniger einen persönlichen oder individuellen Charakter besaß – dennoch kam er wie ein etwas heruntergekommener Spaziergänger daher. Andererseits ist diese Erscheinungsweise nicht als universell geltend konzipiert worden – wie etwa Mark Wallingers ‚Ecce Homo’. ‚Herr Individual’ sollte, wie Hasucha sagt, nicht wie ein zentrales Element wirken, sondern einem eher zufällig im Gefüge des Städtischen begegnen.

Nachdem diese Arbeit bemerkenswerte Varianten an Reaktionen hervorrief (in Berlin gab es sogar einigen Ärger während der Aufführungsdauer), reagierten die Dubliner mehrheitlich mit entzückter Verwirrtheit – scheint doch das Konzentrieren auf das Gehen der Stadt Dublin gänzlich angemessen, weil es durch die unsere kulturelle Landschaft prägenden Figuren wie die Joyce’schen Flaneure vorgegeben ist. Die wiederholten Wanderungen der Charaktere wie Bloom in Ulysses oder die Dubliner ‚Two Gallants’ erzeugen Bilder des Stadtlebens, die beides enthalten: Gefangensein ebenso wie ständiges Wechselbad, endlose Bewegung bei endlosem Nichtankommen. Nicht so wie Quinn in Paul Austers ‚City of glass’, der „auf seinen besten Wegen ... fühlte, dass er nirgendwo war“, geht ‚Herr Individual’ nirgendwo hin, weil er auf der Stelle bleibt. Ironischerweise ist Hasuchas spannende öffentliche Arbeit an unsere eigenen relativ freien Bewegungsräume in der Stadt gekoppelt, die deren Funktionieren erst ermöglichen.

Declan Long, Dublin 2001

Vgl. Projektdokumentation Nr. 8 Herr individual geht