Expedition RumBulTürGeo

Reiseerzählungen von Christian Hasucha, 2014

Geschrieben am 28. Mai 2014

Anmerkung: Einige Begebenheiten sind mit einigen Wochen Verzögerung nochmals erzählt.

… Wir haben einige seltsame Nächte an Tankstellen und auf dem freien Land hinter uns. Offene Gullydeckel mitten in der Straße, viele skulpturartige Ruinen, Pferdekarren und Sandbodenmärkte, aber auch Roma-Dorfhäuser mit silbernen Pagodendächern. Echte Gegenwart. Landschaften, eben bis zum Horizont, Störche auf Strommasten, ausrangierte Funktionärsgebäude.

Westeuropa-Supermarkt-UFOs.

Weiter in grüner Hügellandschaft. Schepperndes Froschkonzert an trägem, olivgrünem Fluss. Tätowierte Aussteiger, die englische Campingplatz-Kolonien betreiben. Ich sprühe meine Parkplatz-Markierung auch auf den Sand des entlegensten Rastplatzes und lasse einen großen, weißen Pfeil, verankert mit zwei Betonbrocken, in der Jantra bei Veliko Tarnovo in Bulgarien schwimmen. Man hilft mit beim Zu-Wasser-Lassen. Das Auto funktioniert prima in jeglicher Hinsicht. Sabine filmt einiges von meinem Tun. Die erste SD-Card ist schon voll. Bald geht es weiter Richtung Türkei.

Geschrieben am 22. Juni 2014

Erst Wasser, dann Hitze. Wir versuchen, uns am Schwarzen Meer entlang zu schlängeln mit Abstechern in die Berge. Nun sitzen wir in einem wunderschönen Talkessel neben einem Dutzend Fischbecken, die von herunterfließendem Bergwasser gespeist werden. Für Mittag haben wir einen Fisch bestellt, der dort gefangen wird. Werde ich mir nicht ansehen. Bin noch traumatisiert vom Fröschefangen und Beineabschneiden in Bulgarien.

Habe nebenbei drei Projektchen durchgeführt. Wurfaktionen werden auch wieder gemacht. Sabine hat gefilmt. Ich hoffe, ich bekomme das Material sicher nach Hause. Bekomme auch von den Anrainern immer wieder Hilfe, was mich sehr berührt. Wir können uns schließlich kaum verständigen. Da helfen Internet-Fotos und Skizzen schon enorm. In der Nähe von Sinop hat mich der Bürgermeister und der Landrat zufällig im Restaurant angesprochen. Am Ende war es der Landrat, der dem Bauhof offiziell anordnete, einen Werktisch zu stiften, nur damit ich meine Bergtisch-Aktion ausführen konnte. Ich (und nie Sabine) werde so oft angesprochen, dass es mir schon zu viel wird. Es gibt kaum Mitteleuropäer hier. Die Versorgungsmöglichkeiten sind gut, die Sanitär- und Elektroanlagen katastrophal. Wenn wir nicht unsere gut funktionierende ausfalt- und ausklappbare Wohn-, Koch- und Reisemaschine dabeigehabt hätten, wären wir schon geflohen. Jetzt fühlt es sich an, als wären wir schon seit Jahren unterwegs und ich bin gespannt auf den nächsten Mikrokosmos, in den wir eintauchen. Gerade wird uns wiederetwas geschenkt. Melone. Warum fühlt man sich immer, als müsste man alles durch Gegengeschenke ausgleichen?

Ab und zu sind schöne Szenarien im Dorf und im Land zu erleben. In den Bergen sind die Menschen tatsächlich viel verschlossener - so als bräuchten sie keine anderen. In Ost-Anatolien wird oft der Müll in die grandiose Landschaft geschmissen. Ist das nun gedankenloser Egozentrismus oder Blindheit im kollektiven Gruppenverhalten? Sabine putzt das Auto. Morgen gehts weiter nach Georgien. Die Sprache können wir weder lesen noch sprechen. Ein wenig Russisch wird vielleicht helfen. Bin gespannt auf die Gesichter.

Geschrieben am 17. Juli 2014

Am Fluss Jantra bei Veliko Tarnovo, Bulgarien

Ein Pappschild mit handschriftlichem Hinweis. "Camping" und ein Pfeil nach links, mit Draht an einen Holzpfosten an der Überlandstraße gezwirbelt. Fast hätte ich es beim Vorbeifahren im dichten Gestrüpp übersehen. Wir folgen dem Pfeil, kurz darauf versperrt uns ein Lada den steinigen Weg. Wir setzen zurück. Ein Hüne steigt aus, mächtiger Brustkorb, Arme fast bis zu den Knien, ein Kahlkopf mit breitem Lachen. Cliff. Er spricht fließend Englisch und ist Besitzer des "Three Rock Camping" und auf dem Weg zum Supermarkt. Supermarkt? Hier in der bulgarischen Pampa? Wir schließen uns ihm an. Unsere Lebensmittelvorräte sind knapp geworden. Über eine Sandbuckelpiste quer durch die Maisfelder geht es in fahrwerkstrapazierender Geschwindigkeit an staubigen Häuschen vorbei. Viele sind baufällig - nach unserer Vorstellung. Fußtiefe Schlaglöcher werden im Slalom umfahren. Dann liegt das Städtchen vor uns. Der Supermarkt entpuppt sich als einer dieser West-UFO-Container, die so vieles Glitzernd-Fremdes überall hinbringen und dort viel Eigenes entwerten. Kaufland, gekühlt und mit allem bestückt, was der Westen zu bieten hat. Davor einige Kioske mit bulgarischen Hackfleischröllchen. Der Bankomat in diskreter Nähe spuckt die gewünschte Mege Leva aus. Nach dem Einkauf dann ins Zentrum des Städtchens. Ein Flohmarkt hat sich ausgebreitet. Viel russisches Gerät, altes Handwerkszeug, freigelegte Innenteile von Elektrogeräten, Platinen, Glühbirnen, Gartengeräte, Fahrräder. Alles gebraucht. Wir treffen Cliff, den Campingplatzbesitzer aus England, wie er gerade ein Mountainbike prüft. "Otschin charascho!", sage ich und deute auf das Fahrrad. "Sehr gut!". Cliff guckt verständnislos. Ob er noch weniger Russisch spricht als ich? Jedenfalls erkennt er mich erst mal nicht wieder. Später auf dem Campingplatz steht Cliff mit seinem neuen Mountainbike. Der Platz ist super. Ein Holländer und ein weiterer Engländer sind da. Viele große Bäume, ein grüner Fluss fließt träge vorbei, Frösche quaken, alles ziemlich dschungelmäßig.. Die Wiese wird von Cliff fast täglich in Abschnitten mit dem Dieselmäher gemäht. Mit der Kettensäge will er morgen das Gebüsch am Klohaus absäbeln. Die Saison beginnt bald und er braucht Platz. Am Ufer des schlammigen Flusses ein abenteuerlicher Holzsteg mit einem ehemals weissen Plastikstuhl darauf. Die Szenerie erinnert an Joseph Conrads Dschungelfluss. Einige Tage später werde ich dort einen großen weißen Pfeil auf der Stelle schwimmen lassen, am Wegtreiben von Angelschnur und Flußkiesel gehindert.

Abends Musik vom Notebook und Rotwein. Einige Engländer sind dazugekommen, auch einige Bulgaren. Um die helle Lampe am Baum schwirren Mücken und Falter. Cliff schwört auf Essigeinreibungen gegen die Mücken. Obstessig. Sabine und ich tanzen Rumba nach Dylans "Knock knock knocking..." auf der Wiese. Ein Bulgare macht Froschgequake nach. Er winkt mir, mitzukommen. Ich ahne, dass er etwas fangen gehen will und bereite meine Handycamera vor. Der Bulgare setzt seine Stirnlampe auf und schleicht durchs Ufergras. Ich hinterher und filme den Lichtkegel. Plötzlich greift er zu und hat einen dicken Frosch in der Hand, in der anderen ein Messer. Das Video war einen Tag lang auf meinem Handy, dann habe ich es gelöscht. Ich konnte erst später erkennen, was ich da gefilmt hatte und ekelte mich vor mir selbst, weil ich das barbarische Fröschezerschneiden nicht verhindern konnte. Sind mittlerweile im Hohen Kaukasus. Bringe Leute dazu, Flußsand zu schaufeln und drehe Steine.

Grüße, Christian

Geschrieben am 24. Juli 2014

Türkische Scwarzmeerküste bei Abana

Fluchtartig verlassen wir Samsun, nachdem wir die dortige Küste gesehen haben. Hotelkästen mit Strandanlagen, alle Wege betoniert, Liegestühlemeer bei sengender Sonne. Lärm von der nahen Straße her. Wir wollen die Schwarzmeerküste entlang nach Georgien. Mit unserem Camper, einem umgebauten Konditorwagen können wir überall halten und bleiben, hatten wir uns gedacht. Die Verkaufsklappe zum Panoramafenster hochgeklappt und schon haben wir den besten Blick aufs Meer. Das mit der Verkaufsklappe als Panoramafenster funktionierte in Bulgarien schon toll, auch dank einer eingespannten Gaze als Mückenschutz, dem zur Sitzbank umklappbaren Bett, dem 60-Liter-Wassertank mit Schlauch zum Schwenkhahn an der rechten Hecktür, der Schwenkspüle an Kochtöpfen hinter der linken Hecktür und so weiter. Alles so eingebaut, dass noch genügend Platz für meine Werkzeugmaschinen, Stromgenerator und den Transport von ein paar ausgewählten Materialien bleibt. Hier an der türkischen Schwarzmeerküste können wir kaum wild campen. Entweder kommen wir nicht von der sich endlos die zerfranste Küste entlangschlängelnden Straße herunter oder es ist ein Privatgrundstück, wo nach einer Viertelstunde jemand erscheint und guckt, was wir hier wollen. Tagsüber kein Problem.

So kurven wir weiter, bis wir an eine städtischerseits angelegte Picknick-Area bei Abana kommen. Hier können Familien Kaffee kochen und tun es auch. Weiter oben, ein eingezäuntes und mit Flecktarnnetz umgrentztes Gelände. Kein Militär-, sondern ein Paintball-Gelände. Viele rosarote Sprengsel am Waldboden und an den Bäumen. Der Platzwart unten am Eingang hält Grill und Grillkohle bereit und serviert Tee. Was koster einmal Köfte-Grillen? Das wird genauso individuell verhandelt wie beim Teppichkauf in Istanbul. Wir brauchen keinen Grill, haben unseren eigenen Benzinkocher. Es ist Abend geworden. Spaziergang zu den zerklüfteten Felsen am Meer. Schräg und steil ragen die Gesteinsplatten aus dem Wasser. Eine daran anschließende, vermüllte Anhöhe lässt sich erklettern. Der Muezzin ruft. Der nächste Abend verläuft unerwartet. Nach ausgedehntem Besuch der nahen, vor sich hinbrütenden Stadt und dem an der Straße liegenden, langgezogenen Baumarkt, bestehend aus vielen hintereinander gestaffelten, meist offenen Baracken, die die verschiedenen Baumaterialien anbieten, sitzen wir auf der erhöhten, überdachten Terrasse des Picknickplatzes und bestellen Bier. Zwei Familien neben uns. Ich werde vom Kind gefragt, "wär ei kamm fromm". "Alemania" Der Vater, ein junger, sympathischer Türke mit schwarzem Strubbelhaar und Poloshirt schaltet sich ein und fragt, ob ich Französisch spräche, er hätte in Marseille studiert. "Örng pö". Er fragt mich regelrecht aus und als ich sage, ich sei Skülptör, fragt er nach meinem Namen und googelt ihn. WLAN gibt es hier. Es stellt sich heraus, dass wir an diesem Abend einem geselligen Beisammensein von Bürgermeister- und Landratsfamilie beiwohnen und dass meine Website auch wegen der vielen Bilder, viel Erstaunen, besonders bei den Damen auslöst. ""Wu set seläbre". "Nong". Eine halbe Stunde später erzähle ich dem Landrat von meiner Idee, eine Bergspitze durch eine Tischplatte ragen zu lassen und dass die Felsen im Meer sich dafür eignen würden. Ich kritzele eine Skizze davon auf ein Blatt Papier, das mir der Wirt bringt. Was ich dafür bräuchte, fragt der Landrat. Einen Tisch. Bong, ich solle morgen um zehn Uhr bei ihm im Landratsamt vorbeikommen. Pünktlich stehe ich am nächsten Morgen vor dem Landratsamt und klopfe. Ein Beamter öffnet die Tür, es ist das Vorzimmer, zwei weitere akkurate Männer am Schreibtisch. Ich sage, ich hätte einen Termin beim Landrat, der Beamte geht zur Seitentür und fragt nach. Okay, ich darf rein. Der Landrat sitzt hinter einem bulligen glänzenden Barockschreibtisch, Seitenscheitel, pomadisiert. dunkler Dreiteiler, Hände auf der leeren Tischplatte verschränkt, bietet er mir Platz im Ledersessel an. Er ordert per Gegensprech, Sekunden später kommt der Beamte und bringt Tee, Gebäck und parfümierte Feuchtetücher. Ein richtiger Empfang. Nachdem vom Tee genippt, ein Gebäck verzehrt und die Finger gesäubert sind, fragt er nach meinem Anliegen. Fühlt sich an, als ob ich Formulare ausfüllen soll. Ich bin einigermaßen verwirrt und sage, ich bräuchte nur einen Tisch und die Genehmigung, ihn zu platzieren. Zum Glück war ich morgens schon an der Klippe und habe Fotos vom möglichen Aktions-Ort gemacht. Er schaut sich die Fotos genau an und fragt nach der Größe des Tisches. Ich breite die Arme aus. Der Landrat lehnt sich zurück, nimmt das Schnurtelefon, bellt etwas hinein, lächelt mich an, ruft den Beamten und sagt, ich würde einen bekommen und solle dem Beamten hinterherfahren.

Am Rand der Stadt hält der Beamte vor einem eingezäunten Gelände. Eine offene Halle mit Mechaniker-Grube. Im Hintergrund schrubben ein paar Arbeiter einen Tisch mit Metallbeinen. Andere stehen drum herum. Ich werde vorgestellt und man zeigt mir den Tisch. Ob er genehm wäre. Er ist. Ich will ihn mitnehmen, was strikt unterbunden wird. Man trägt ihn zu meinem Auto und lädt ihn ein. Ich fahre zur Klippe und packe meine Werkzeuge aus. Erreichbar über eine vermüllte Anhöhe, ragt zwei Tage später eine Miniatur-Bergspitze durch eine Tischplatte mit Metallbeinen, flankiert von schrägstehenden Sedimentgesteinplatten, die weiter unten vom Schwarzen Meer gekitzelt werden.

Viele Grüße, Christian

Geschrieben am 24. Juli 2014

Von Dereli nach Kümbet, Türkei

Markttag in Dereli, Ost-Anatolien, rechts des Flusses, oben über die gesamte Länge der Dorfstraße sind Planen, blaue und gelbe Folien, bunte Tücher und Lappen als Sonnenschutz und als partieller Regenfang gespannt, ein kilometerlanges Kaleidoskop, darunter die vielen Marktfrauen und wenigen Marktmänner inmitten des Angehäuften und Ausgebreiteten. Wir schlendern durch den würzigen, käsigen, muffig stoffigen, schweißig süßlichen Dunst und werden alle Nase lang angesprochen. Aleman? Ja. Oft geht der Kurzplausch auf Deutsch weiter, weil der, der mich anpricht, einige Jahre in Erkenschwick oder Sindelfingen gearbeitet hatte. Die Männer in der Nähe schauen skeptisch. Wiederkehrer scheinen einen zwiespältigen Status zu haben; einerseits werden sie neidisch beobachtet, weil sie mit Touristen parlieren und eventuell Geschäfte machen können, andererseits scheinen sie nicht in die Dorfgemeinschaft einbezogen zu werden und stehen oft am Rande.

"Hallo, wollen Sie nach Kümbet?" Eine gutaussehende, junge dunkle Frau in Begleitung einer älteren Frau spricht mich an, akzentfrei. Wo sie so gut Deutsch gelernt hätte? "Ich bin Deutsche und habe hier geheiratet." Nach einigem Hin- und Her erzählt sie uns von einem guten Hotel in der Nähe des Bergdörfchens. Sie fahre später selbst dorthin und würde uns den Weg zeigen. Wir tauschen Handynummern aus. Aische - Christian. Ein junger Mann kommt angestürmt und stellt sie zur Rede. Auf Türkisch. Er zieht sie in den Vierradantriebler, nickt mir finster zu und gibt Gas. Zurück zu unserem Auto. Wir fahren weiter höher in die Berge und suchen eine Unterkunft für die Nacht. Einige Kilometer vor Kümbet landen wir in einer Art Fort, palisadenumgrenzt, mit doppelgeschossigem Haupthaus, holzverkleidet. Ein Reisebus ist gerade eingetroffen, ein Schwarm aufgeregter junger Mädchen aus England. Wir schaffen es, bis zur Rezeption durchzukommen, alles besetzt und Camper-Stellplätze gibts nicht, obwohl viel frei Wiese da ist. Dann eben nicht. Wir fahren weiter die 20 Kilometer nach Kümbet und stellen uns in den Schatten der kleinen Moschee. Niemand spricht mich an, obwohl ich extra langsam die Dorfstraße auf und ab gehe. Ein Hotel scheint es nicht zu geben. Mir gefällt der Ort. Ein staubiges, krummes Bergnest. Wieder so ein Mikrokosmos, den ich gern näher kennenlernen möchte, gerade weil mich niemand auf Deutsch anredet. Sind die Bergdörfler wirklich verschlossener als die Händler unten im Tal oder brauchen sie die Kontakte nicht, weil es ihnen genügt, die Händler zu beliefern und sie ansonsten autonom wirtschaften? Ich simse der Aische. Eine Viertelstunde später ruft sie zurück. Das Hotel, das sie beschreibt, ist jenes Palisadenfort mit dem unfreundlichen Rezeptionisten. Ihr Mann arbeite dort ebenfalls an der Rezeption. Ich sage, dass wir dort waren und nichts frei war, sie bedauert und legt auf. Ich ahne, dass es Zoff gab wegen des Austausches der Handynummern.

Jetzt spricht mich doch ein Türke an, auch er hat in Deutschland gearbeitet, wohnt in Izmir und ist hier als Tourist. Er könne seine Unterkunft nicht empfehlen, aber wir sollen ihm folgen. Sein Audi fährt auf der Sandpiste schnell. Wir schlingern und schaukeln hinterher. Immer höher führt die wilde Fahrt. Dann erreichen wir die erstaunlich runden Bergkuppen. Von den geschmeidig-trockenen Zungenschlingen der schwarzen Kühe immer wieder berupft, kann sich nur kurzer Grasbewuchs ausbreiten, teppichartig die sanften Höhenhügel überdeckend.

Weiter Blick über das Land. Wir halten endlich an: zwei Automobile und ein paar Leutchen in freier Luft. Weiter unten ein Lieferwagen mit einer Gruppe junger Männer. Auch unser Camper ist ein umgebauter Lieferwagen, weil der nicht so schnell als Camper erkannt werden sollte und wir öfter unbemerkt irgendwo in der Wildnis bleiben wollen, ohne verjagt zu werden. Wir packen unseren Benzinkocher aus und bieten Nescafé an. Der Türke steuert Schweizer Schokolade dazu bei. Seine Frau hat einen Hüftschaden und braucht den Rollstuhl auch hier. Nachdem unsere Hierherbringer sich verabschiedet haben, sitzen wir noch lange im schwarzen Himmel und schauen in die Sterne. Die jungen Männer weiter unten haben Trommel und eine Art Mandoline ausgepackt. Zwei singen, die anderen spielen die Instrumente oder fangen an zu tanzen. Wir applaudieren blöderweise. Keine Antwort. Als wir am nächsten Morgen aus dem Camper krauchen, sind wir allein auf dem grünen Berghügel.

Viele Grüße, Christian

Geschrieben am 12. August 2014

Bei einer Brücke in Georgien

An der kleinen Grenzstation zwischen der Türkei und Georgien längst vergessene Gefühle aus Westberliner Zeiten. Passkontrolle, der Hund bellt. Der Grenzer ist irritiert und sichtlich beeindruckt, als er die Reiseunterlagen für den Hund sieht: ein Heft mit vielen bunten Stempeln, für jede einzelne Impfung, dazu zwei Plaketten am Halsband. Er lässt uns durch, ohne die Einbauschränke mit den vielen Werkzeugmaschinen, dem Stromgenerator und den Kameras zu kontrollieren. Kurz hinter der Grenze die alten Kontrollgebäude des Ostblocks in verwildertem Gelände. Alle Fenster samt Rahmen herausgebrochen. Betonwege, brüchig und überwuchert und halb verschwunden. Wir rasten hier. Von nun an wird es schwieriger: Schilder mit der eigenartig gekurvten georgischen Schrift bedruckt, die wir nicht entziffern können, manchmal kyrillisch, was wir nur buchstabieren können. Zu langsam beim Vorbeifahren. Nur an den großen Straßen Schilder mit lateinischer Umschrift. Hinter dem tristen Grenzgebiet lange staubige Straßendörfer, hier und da gepflegte Gärten und fast überall erkennbarer Gestaltungswille bei den Gebäuden. Eine Wohltat nach dem langweiligen türkischen Einheitsbetonbau. Die Landschaft wird rauer, die Straße kurviger und ansteigend. Wir fahren in den Abend hinein und halten an einer seltsamen, verrosteten Hängebrücke. Die Tragseile sind makrameeartig verknüpft. Ein paar Stahlseile liegen abgerissen auf dem Boden. Wahrscheinlich ist deswegen die Fahrbahn auf eine Spur eingeengt worden. Zur Belastungsreduktion. Wir klappen das Panoramafenster, das heißt die Verkaufsklappe des ehemaligen Konditorautos auf und bereiten unser Abendessen mit Blick auf das gegenüberliegende Dorf. In ähnlicher Situation hatte uns ein türkischer Dorfchef schon mal auf Traktor und mit Schrotflinte im Anschlag verjagt. Dorfbewohner haben auch manchmal Angst vor Fremden. Hier dauert es eine halbe Stunde, bis sie kommen: acht Georgier, einer von ihnen guckt besonders finster. Schwarze, stechende Augen, hohe Wangenknochen, drahtige Statur, wie man sich den wilden Kaukasier eben so vorstellt. Sie kommen auf Steinwurfnähe heran und palavern. Ich steige aus und hebe die Hand. Man grüßt zurück und bleibt stehen. Wir verstehen kein Georgisch. Bislang haben wir uns mit ein paar Brocken Russisch durchgewurstelt. Sabine lässt den Hund raus, geistesgegenwärtig mit Plüschtier in der Schnauze. Ohne sein Kuscheltier hätte er die Georgier angebellt und wir hätten jetzt ein Problem. So aber kann ich den Hund zu mir rufen und seine Kunststückchen zeigen: Pfötchen geben, erst rechts, dann links. Plüschtier in den Fluss werfen. Der Hund rast prompt hinterher, springt hinein und holt es wieder heraus. Die Männer applaudieren. Das Eis ist gebrochen, sie kommen näher. Ich radebreche, woher wir kommen und wohin wir wollen und dass wir die Nacht über hierbleiben wollen. Sie signalisieren Zustimmung. Am nächsten Morgen sind wir von Kühen umringt. Der Kuhtreiber hat einen schönen Kopf, eine scharfe Nase und ein paar Goldzähne und kommt zu mir, als ich die Brücke näher untersuche und die offen liegenden Verbindungs- und Knotenpunkte filme. Ein Tragwerk, wie ein Makramee geknüpft, gibt es nicht alle Tage zu sehen. Der Alte sieht, dass mich die Konstruktion interessiert und spricht auf mich ein. Ich verstehe so viel, dass die Deutschen die Brücke gebaut hätten, Mitte der Vierzigerjahre, und dass sie bis heute halten würde. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass die Bulgaren mit Nazideutschland kooperiert hätten, aber Georgien? Merkwürdig. Es können nur Kriegsgefangene gewesen sein. (Dies stellte sich als richtig heraus; auch bei Borjomi hatten deutsche Kriegsgefangene ein Wasserkraftwerk konzipiert und gebaut, was bis heute mit seinen alten Turbinen läuft und die Stadt versorgt.) Ich kann zu wenig Russisch, um nachzufragen. Stattdessen krame ich in meinem Gedächtnis nach Vokabeln und mir fällt im Moment nur "Schisti wostuch" ein. "Sto?" Der Alte fragt nach "Schisti wostuch", gute Luft. "Nitschewo!" sagt er. Es klingt wie "Quatsch!". Dann gibt er mir die Hand und geht. Wir packen zusammen. Ein schwarzer Mercedes bremst quietschend neben mir. Einer der Männer von gestern Abend steigt aus und versucht mir zu sagen, dass Deutschland Fußball-Weltmeister ist. 7:1. Schulterklopfen und gekreuzte Arme vor der Brust mit angedeuteter Verbeugung. Ist mir sehr peinlich. Wir fahren weiter.

(Nach einigen Wochen kreuz und quer durch Georgien kam ich zu der Erkenntnis, dass etwa jedes vierte Auto aus deutscher Produktion kommt. Eine Folge der Abwrackprämie? Auf den Lieferwagen, die hier Marschrutka heißen und ähnlich wie die Dolmuschs in der Türkei Personen transportieren, die überall am Straßenrand warten, finde ich dafür weitere Hinweise in Form ehemaliger Firmenlogos. So machen Minibusse heute weiterhin Werbung für Rohrleger Knispel aus Wermelskirchen oder für Dachdecker Leyendecker aus Bremen).

Grüße, Christian

Geschrieben am 24. August 2014

In der Nähe von Koubuleti, Georgien

Ihr Mann säße im Gefängnis, erzählt man mir hinter der Hand. Er hätte jemanden erstochen. Wir sitzen draußen beim Bier an der Straße zwischen Schwarzmeerküste und diesem wunderbar verwilderten, betonestrichgesprenkelten, möglichkeitssprühenden Gelände, das einstmals wohl sowjetisches Ferienlager gewesen sein mag. Es soll nun ein Campingplatz werden. Noch sind die Toiletten Steh-Klos, die Duschen aufgeständerte Stahlkessel mit Rohrgewirr samt Duschkopf im Freien. Kurz hinter Koubuleti, Georgien. Ein Clan Georgier hat sich dieses Gelände zum Aktionsfeld genommen und räumen, bauen und feiern. Heute den Geburtstag der Ehefrau des Messerstechers, die hier mit ihren beiden Kindern im unfertigen Wohngebäude Zuflucht gefunden hat. Im Norden Georgiens gibt es in vielen Dörfern noch hohe Clantürme, die wegen gelegentlich drohender Blutrache gebaut sein sollen. Vom Kiosk an der Straße, der vom Sohn des Clanchefs geführt wird, ordern wir das nächste Bier. Drinnen machen zwei Cousins Musik, schnell und laut. Ein langer Tisch ist gedeckt, die Frauen bringen das opulente Essen auf vielen Platten herein, Weinflaschen kreisen. Nach kurzer Zeit entdeckt uns der Clanchef, wie wir draußen in der Abenddämmerung sitzen und winkt uns herein. Weil wir seit einigen Tagen hinter dem Gebäude im grünen Grundstücksgelände campen, können wir uns jetzt schlecht verweigern. Außerdem interessiert mich das Ritual. Wir werden ohne Weiteres zu zwei freien Plätzen geleitet, man stellt Teller und Gläser vor uns und so beginnt ein ausgelassener Abend, an dem viel getrunken, viel gelacht und viele Trinksprüche in Richtung der unglücklichen Geburtstagsfrau verkündet werden. Welche Gegenleistung wird von uns für diese Einladung erwartet? Dies sollte sich ein paar Tage später zeigen, als ein großes abendliches Open-air-Fest stattfand, zirka hundertfünfzig Leute kamen, wiederum Musik wurde gemacht, diesmal mit Conférencier. Der verkündete plötzlich, dass deutsche Gäste da wären, die er hat tanzen sehen. (Stimmt, gelegentlich hatten wir das leere Restaurant zum privaten Ballroom gemacht). Nun legte er eine georgische CD auf, zu unserem Glück nur textlich georgisch zu argentinischem Tango, unserem Lieblingstanz. Aber hier ohne Tanzfläche auf der Wiese? Als die Musik verklungen war und wir uns mit einigen verkorksten Ochos, Moulinetas und Ganchos einigermaßen über die Zeit gerettet hatten, kommen wildfremde Leute zu uns und umarmen uns. Ein fremder, unrasierter Clanboss kommt zu mir, nimmt meinen Kopf in beide Hände und schmatzt mir rechts und links einen. Irre. Ob das in Deutschland auf dem Dorf auch passiert, wenn jemand aus Georgien den Säbeltanz vorführen würde? Zurück an unserem Tisch finden wir Romeo in Aktion. Er zeigt ein paar Zauberkunststücke. Er ist Schweizer, dreissig Jahre lang Steuerfahnder gewesen und hat sich ausgerechnet, dass er bei der Rente keine finanziellen Einbußen hätte, wenn er zwölf Jahre lang als Dauercamper in Georgien leben würde. Er ist jetzt sechzig und muss noch fünf Jahre durchhalten. Auf dem Gelände wohnt er in einem Wohnwagen unter drei Bäumen, hat sich einen Vorgarten aus Strandkiesel angelegt und ihn mit Pfosten und Latten eingezäunt. Er hilft dem Clan beim Übersetzen, wenn ausländische Camper kommen und hilft bei der Buchhaltung. Penibelst. Nur bei sich selbst legt er andere Maßstäbe an. Gestern erzählte er, dass ihn seine Schwarzgeldkonten zu Hause etwas Sorge machen würden, seitdem die Schweiz das Bankgeheimnis lüften will. Ansonsten lästert er über die Baubasteleien der Georgier.

Am nächsten Tag ist vom Fest nichts mehr zu sehen, die Frauen haben früh aufgeräumt. Ein einsamer Wanderer kommt angeschlurft. Thomas aus Deutschland. Er wandert seit vier Jahren. Für den Frieden. Er will weiter nach Persien. Wir setzen uns ins Auto und fahren in den Hohen Kaukasus, wo wir zwei Wochen bei einem Grenzposten und seiner Familie verbringen und ich einen Mann filme, der Sand aus dem Fluss schaufelt. Ein paar Schritte weiter lasse ich währenddessen ein paar Flusskiesel tanzen.

Viele Grüße, Christian

Geschrieben am 8. September 2014

Bei Ordu, Türkei (Rückreise)

Schlabberig. Der dicke türkische Mann sitzt an der Schwarzmeerküste ein paar Kilometer vor Ordu und spricht mit amerikanischem Englisch schnell und vernuschelt auf mich ein, eben schlabberig. Er freut sich, mal wieder Englisch sprechen zu können. Er hat Bauingenieurwesen in Amerika studiert und war zwölf Jahre dort, bis der Tod des Vaters ihm und seinem Bruder ein Ufergrundstück in der Heimat bescherte. Einen Küstenstreifen am Schwarzen Meer. Hier und dort sehe ich schwärzlichen Strandsand, weite Bereiche sind aber hell und reflektieren die gnadenlosen Sonnenstrahlen. Wir dürfen hier mit unserem umgebauten Konditorwagen bleiben und stellen uns so, dass die Verkaufsklappe zum Meer hin öffnet. Unser Panoramafenster, durch das nachts eine leichte Brise vom Meer her weht. Vor uns am Strand steckt ein Sonnenschirm mit Strohdach im Sand. Hinter uns zirka vierzig verpachtete Parzellen mit jeweils einem dreissig Quadratmeter großen Bierzelt drauf, drinnen auf Betonestric jeweils eine Gruppe Hauszelte, aneinandergekoppelt und mit ausrangierten Möbeln und Hängelampen und Plastikwasserrohranschluss ausgestattet. Küche, Bad, Schlafzimmer aus Zeltplanenwänden, Teppiche überall, ein Sofa und zwei Plüschsessel auch mal auf der sandigen Terrasse vor den Zeltzimmern. Hier verbringen die hitzegeplagten Familien aus der südlichen Türkei ihre Sommer, obwohl es unter den Zeltdächern auch schon mal vierzig Grad heiß wird, sagt man mir. Manche haben Zimmerpflanzen, fast alle Fernseher mit Parabolantenne. Wir sind zurzeit die einzigen deutschen Gäste. Eine große, dunkelgraue Beton-Bauruine schirmt das Gelände zur Straße hin ab.

Eine Familie sitzt beim Essen in der Abenddämmerung am Strand. Es dauert nicht lange und Teller voll gegrilltem Lamm werden uns gebracht. Ich weiß nicht, wie ich mich revanchieren soll und biete Wein an. Der junge Familienvater schaut sich das Etikett an und nickt heftig. Türkischer Wein, gut. Später kreist Raki. Erschöpft vom Gekauderwelsche sitzen wir spät in der Nacht wieder in unserem Camper und gucken durch das Panoramafenster aufs dunkle Meer. Ein Kopf erscheint und fragt höflich, ob wir nicht noch in sein Familienzelt kommen wollen. Wir wollen nicht und ich lehne ab. Ein Fehler. Gastfreundschaftliche Gesten darf man nicht ablehnen. Während der gesamten Zeit, die wir dort verbringen, wird mich die Familie, die zu dem Kopf gehört, nicht mehr grüßen.

Am frühen Morgen Baulärm vom Nebengrundstück her. Es hört sich an, als würde ein kleines Erdbeben die Hütten, die dort stehen, zerstören. Schlabbermann sagt, dass es die Gemeindepolizei wäre, die den Abrissbagger bestellt hat und die Hütten in Nullkommanix niederreißen lässt, weil sie illegal gebaut wurden. Offensichtlich nimmt man dies nebenan ziemlich gleichmütig hin, denn die Holzwandtrümmer werden bald gutgelaunt zu einem großen Haufen geschichtet und die Estriche gefegt. Alles in Begleitung wummernder Technomusik.

Nachmittags ist Ruhe und ich spiele mit dem Schatten unter dem Strohschirm. Videokamera aufstellen, ovale Sandfläche mit etwas Schwarzsand bestreuen, nasssprenkeln, filmen, neue Fläche streuen, sprenkeln, filmen. Der Schatten und seine Brüder. Als ich Wasser holen gehe, spricht mich ein alter Türke aus seiner Zeltwohnung heraus an. Ob wir heute Nachmittag Zeit hätten, vorbei zu kommen? Wir kommen mit bulgarischer Schokolade und bekommen Tee und trockenen Keks. Beide sprechen schlechtes Deutsch. Fünfundvierzig Jahre hätten sie in Deutschland gearbeitet, wären aber immer wieder in die Heimat zurückgekommen. Zum Grundstücks-, Häuser- und Wohnungen-Kaufen. Hier in der Straße gegenüber hätten sie eine Wohnung, dann ein Haus in Izmir und eine weitere Wohnung in Istanbul. Einen Garten hätten sie auch. Ob er uns dorthin führen solle, drüben hinter der Kreuzung. Aprikosen- und Kirschbäume, Bohnen an Stangen, ein paar Tomatenstauden, Beeren an Sträuchern. Ein kleines Gartenhäuschen. Auf dem Weg vor dem Zaun hat er gerade ein kleines Beet abgesteckt und es mit Kürbissen bepflanzt. Der Sandweg an dieser Stelle ist nun etwas enger geworden. Aber Autos kommen noch vorbei, sagt er. Der Nachbar kommt aus seinem Haus und geht schweigend an ihm vorbei. Auch der türkische Expansionist sagt nichts. Auf dem Weg zurück erzählt er einige Interna von Schlabbermann, dem Zeltsiedlungsbesitzer. Der sei auch der Erbauer der Hotelbauruine, hätte sich mit seinem Bruder verkracht und kann deswegen nicht weiterbauen. Außerdem hätte der noch eine Plantage mit Haselnuss-Sträuchern. Mit ihm redet er auch nicht mehr viel. Ob er meine mail-Adresse kriegen kann? Falls er mal nach Berlin kommt, würde er gern von mir herumgeführt werden. Ob er auch bei mir schlafen könne? Klar doch.

Später sitzen wir mit Schlabbermann beim Bier. Ich frage ihn nach Erdogan. Er weicht aus und beginnt über die amerikanischen Eingriffe im Irak zu dozieren und das alles im Zusammenhang damit stünde und er die Proteste gegen Erdogan aber verstehen könne. Allerdings gehe es den Leuten auf dem Land ja seit langem immer besser, deswegen wäre Erdogan wiedergewählt worden. Im Übrigen hätte er als ein im Ausland lebender Türke viele andere Werte kennengelernt und er wäre nicht mehr so stark auf das Religiöse fixiert wie einige der Pächter hier, zum Beispiel dem Multigrundstücksbesitzer, der trotz seines Besitzes hier in einer ärmlichen Zelthütte wohne.

Am nächsten Tag nimmt er mich mit und zeigt mir seine fußballfeldgroße Haselnuss-Plantage, in der zwei Familien samt Kindern sowie ein Grundschullehrer die Nüsse von Hand pflücken und auf dem Sandplatz davor zum Trocknen ausbreiten. Innerhalb von zehn Tagen muss alles abgeerntet sein. Der Tagelohn beträgt umgerechnet ungefähr fünfundzwanzig Euro pro Pflücker. Es wird nach dem Gewicht der gepflückten Nüsse bezahlt. Wer gut ist, schafft fünf Säcke voll zu pflücken. Jeder Sack wiegt um die fünfzig Kilo. Pro Sack gibt es also fünf Euro Lohn. Schlabbermann lässt einige Säcke kommen und fordert die Männer auf, sie an die handliche Balkenwaage zu hängen. Dann korrigiert er die Gewichtseintragungen der Pflücker. Nach unten. Er will mir wohl zeigen, dass er der Chef ist.

Nach sechs Wochen Georgien weiter auf der Rückreise entlang der türkischen Schwarzmeerküste führt uns der Weg über Sinop, wo man zur Errichtung eines Gefängnisses Bauschutt aus vergangener Zeit verbaut hat, Kapitelle und Säulen. Die liegen jetzt quer in der Außenmauer. Sichtbar und als Touristenattraktion angepriesen.

Viele Grüße, Christian

Postscriptum: Kontakte zu den Einheimischen bekam ich während der gesamten Reise am leichtesten in der Türkei.

Die Texte in diesem Heft wurden von Christian Hasucha während der halbjährigen Reise durch Rumänien, Bulgarien, der Türkei und Georgien sukzessive nach Deutschland gemailt.

Christian Hasuchas Bergtisch-Skizze für Landrat Abdulselam Öztürk aus Abana

Vgl. Projektdokumentation Nr. 66 RumBulTürGeo